…..nicht nur Martin Luther King.
Heute vor genau 50 Jahren hielt Martin Luther King vor mehr als 250.000 Menschen seine berühmte Rede: „I have a dream“.
Rosa Jochmann (1901-1994) ist ein für mich mindestens so beeindruckender Mensch. Sie träumte auch von einer Welt, in der „niemand dem anderen ein Leid antut“. Sie wurde zwar im selben Jahr wie meine Mutter geboren, aber politisch orientiere ich mich an ihr.
Für die Historikerin Univ.Prof. Dr. Erika Weinzierl ist sie ihre „Frau des Jahrhunderts“ und schreibt über sie in „Welt der Frau“ 1/99:
„Rosa Jochmann war bis ins hohe Alter bereit, als Zeitzeugin in Schulen über ihre Jahre im KZ zu reden. Ihre große Hoffnung war: Wenn Jugendliche erfahren, was Menschen einander antun können. Lernen sie dem vorzubeugen. Keiner konnte sich der Wirkung von Rosa Jochmanns Worten entziehen, die ganz ohne Anklage oder Rachegefühle waren.
Rosa ist zwar religiös erzogen worden, aber sie war keine praktizierende Katholikin. Ich glaube aber, dass sie von einer ungeheuren christlichen Nächstenliebe erfüllt war und diese auch gelebt hat. Die Arbeiterbewegung sagt Solidarität dazu.
Große Ideale können manche Menschen durch ihr Leben tragen. Rosa Jochmann konnte Unrecht nicht untätig ansehen oder gar erdulden. Solidarität, Loyalität und Nächstenliebe waren die tragenden Elemente ihres Lebens. Sie war erfüllt von der zutiefst humanen Hoffnung, dass letztlich das Inhumane nie siegen wird können.“
Unter ärmlichen Verhältnissen in Wien-Simmering aufgewachsen, engagierte sich Rosa Jochmann von frühester Jugend an in der damals noch jungen ArbeiterInnen-Bewegung. Und sie blieb ihr auch unter schwierigsten Verhältnissen treu und engagierte sich bis zu ihrem Tod mit vollem Einsatz für eine gerechtere Welt.
Ich hatte das Glück, Rosa Jochmann 1982 in einer Gesprächsrunde zu erleben. Unser damals 12 jähriger Sohn saß ihr als einziges Kind gegenüber. Ihm schrieb sie bald darauf einen von Blumen geschmückten Brief, der bis heute einen Ehrenplatz unter unseren Erinnerungs-Schriftstücken einnimmt:
„Eigentlich, lieber Walter, habe ich die ganze Zeit, da ich dort bei den vielen Lehrern und Lehrerinnen gewesen bin, darüber nachgedacht, ob du tatsächlich aus freien Stücken zu dieser Veranstaltung gekommen bist oder aber ob dein Papa der Meinung war, daß Du anstatt daß Du Dich vielleicht spielst oder ein Buch liest, daß Du mitgehen sollst. Daß ich mich über Dich sehr gefreut habe und auch heute noch freue, das ist eine andere Sache. Das tat ich aber und zwar aus ganzem Herzen und da ich Dich manchesmal ansah, wünschte ich mir, daß Du, wenn das Jahr 2000 kommt, dann bist Du schon ein erwachsener Mann und sehr wahrscheinlich ein Herr Doktor, dann wünsche ich mir,
daß die Friedensglocken in der Silvesternacht läuten und daß alle Menschen zu essen haben, daß es keinen Krieg gibt, daß niemand dem anderen ein Leid antut, daß niemand vor Hunger stirbt, daß es also eine wunderbare, eine schöne Welt ist, das wünsche ich mir vom ganzen Herzen.
Und das, lieber Walter, wollte ich Dir sagen, aber die Bedingung ist, daß Du mir nicht zurückschreibst, sondern Du kannst versichert sein, Du stehst in meinem Büchl drin und Du wirst wieder einmal etwas von mir hören.
Bis dahin aber grüße Deine liebe Mama herzlich und auch deinen Papa und Dich drücke ich an mein Herz, ich weiß, daß ich das bei Jungen nicht tun darf, aber ich tue das im Geiste und danke Dir sehr herzlich dafür, daß Du so aufmerksam und so still zugehört hast. Es grüßt Dich innigst Deine Rosa Jochmann, genannt Rosa von allen Freunden. Du bist nun auch mein Freund!“
Ein Briefwechsel über zehn Jahre war aber dennoch die Folge dieses Schreibens. Rosa Jochmann war 1992 sogar damit einverstanden, meiner Stadtteilinitiative „Grätzl Punkt“ im Triesterviertel ihren Namen zu geben.
…………………………..Von Rosa Jochmann einem Brief beigelegt
Gerne hätte ich noch ihre Meinung über den Zustand der SPÖ in jenem Bezirk erfahren, wo vor 125 Jahren die Arbeiterbewegung voll Idealen ihren Anfang genommen hat. Und wo nun ein SPÖ-Vorsitzender seine Tochter als Nachfolgerin wählen ließ und sich in der Pension als Präsident der Trabrennbahn Krieau (+ Tochter im Direktorium) betätigt. Wo ein Gemeinderat und Kurzzeit-Nationalrat (nach eigener Aussage) daran glaubt, orientierungslose Jugendliche als Präsident des Wiener Schachverbandes vorwiegend durch Schachspiel von der Straße holen zu können. Aber davon hätte Rosa Jochmann vermutlich nicht träumen wollen.
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