wurden vorwiegend durch Geld finanziert, „wo es sich wirklich befindet“ (Finanzstadtrat Hugo Breitner, 1920-1932)
Durch Zufall ist mir vor einiger Zeit das Buch des Wiener Architekturhistorikers Helmut Weihsmann „DAS ROTE WIEN Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919 -1934“ (2002, Promedia) in der Städtischen Bücherei „in die Hände gefallen“. Schon nach kurzem Hineinlesen und den durchwegs positiven Rezensionen war klar: Das muss ich mir kaufen!
Im Sommer konnte ich einen Großteil des umfangreichen Werks (500 klein bedruckte Seiten mit vielen Illustrationen) des 1950 in Wien geborenen Wissenschaftspublizisten lesen.
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Aus dem Klappentext: „Helmut Weihsmann beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Architekturgeschichte des „Roten Wien“. 1985 ist von ihm im Promedia Verlag ein längst vergriffener Band zum Thema herausgekommen, der die Grundlage für das vorliegende Werk bildet….Weihsmann gliedert die Bautätigkeit nach ihrer historischen Entstehungsform von den Bretteldörfern und Gartenstädten bis zu den festungsähnlichen Wohnanlagen und erklärt die damit jeweils verbundenen politischen Absichten.
Der ausführlichste Teil des Buches ist den nach Bezirken gegliederten Rundgängen gewidmet. Darin werden an die 500 Bauten beschrieben und mit Fotos, Karten und oft auch Grundrissen versehen.“
Für unser „Orte erzählen“-Tafelprojekt sind natürlich besonders jene Bauten des „Roten Wiens“ von Interesse, die sich im Triesterviertel befinden.
Leider konnte noch keine Informationstafel auf einer Wohnhausanlage der Gemeinde Wien angebracht werden. (Eine entsprechende Anfrage wurde abgelehnt.)
Solche Tafeln, die dazu gehörende Webseite und die daraus (hoffentlich) entstehenden Gespräche wären doch eine gute Chance, dass sich wieder mehr BewohnerInnen des „Triesterviertels“ mit den relativ wenigen Jahren des „Roten Wien“ befassen. Damals wurde nämlich die Basis für jene Wohn(preis)situation gelegt, um die uns viele vergleichbare Großstädte bis heute beneiden.
Dazu H.Weihsmann: „Abgesehen von formalen Schwächen bei der Übernahme bzw. Fortsetzung fragwürdiger Typologien und Analogien aus dem Fundus der Architekturgeschichte gehörten gerade die radikale Wohnpolitik und das großartige Wohnbauprogramm jedoch zum Kernpunkt der Austromarxisten und ihrer Gesellschaftsutopie. Für den Politologen Anton Pelinka etwa war das vorbildliche Wohnungsprogramm „von allen Bereichen jenes, das am stärksten den Ruf des „roten Wien“ begründete.“ (S.96)
Vor allem BewohnerInnen z.B. des „George-Washington-Hofs“, des „Viktor-Adler-Hofs“ oder des „Quarinhofs“ könnten deshalb vielleicht wieder stolz werden auf „ihren Bau“ und es entwickeln sich neue gemeinschaftsbildende Aktivitäten.
Drei „Kostproben“ aus „Das Rote Wien“: (Hervorhebungen FE)
„Der Leitsatz von Finanzstadtrat Hugo Breitner lautete: „Unbeirrt von all dem Geschrei der steuerscheuen besitzenden Klasse holen wir uns das zur Erfüllung der vielfältigen Gemeindeaufgaben nötige Geld dort, wo es sich wirklich befindet!“ (Das kommt uns doch bekannt vor. Ch.Kern: „Holt euch, was euch zusteht!“ ) „Diese neue Klassen- und Quellensteuerstrategie Breitners wurde von den Arbeitern bejubelt und von den Reichen heftigst diffamiert; aber diese unübertroffene Art der Geldbeschaffung schuf die Grundlagen für das (anfangs noch utopisch anmutende) Sozialprogramm im Roten Wien.“ (S.28)
(Aus Wikipedia: „Mit der im November 1920 begonnenen Trennung Wiens von Niederösterreich bekam die Gemeinde Wien, wie sich die Stadt bis 1934 stets nannte, die Finanzhoheit.“)
„Rundgang Favoriten:“
„….Im rasch wachsenden, infrastrukturell jedoch stark vernachlässigten Bezirk lebten in den reihenweise aus dem Boden gestampften, überbelegten Mietskasernen meist junge, kinderreiche Arbeiterfamilien, die noch dazu „Bettgeher“ aufnahmen. Damit stieg das soziale Elend sehr schnell an….Nichtsdestotrotz hat das Rote Wien gerade in diesem traditionellen Arbeiterbezirk bauliche Spuren hinterlassen. Nicht zufällig wurde bereits 1902 das erste Arbeiterheim von Hubert Geßner in der Laxenburger Straße 8-10 erbaut. Auf dem Reumannplatz errichtete die Gemeinde das Amalienbad (1926), damals das modernste Hallenbad der Welt…Von den großen Höfen wie dem „Viktor-Adler-Hof“, „Zürcher-Hof“, „Quarin-Hof“ oder „Jean-Jaures-Hof“ bis zu den Lückenverbauungen im Rasterblock von der Quellenstraße zur Triester Straße am Wienerberg sind hier die verschiedensten Typen anzutreffen. Neben dem dicht besiedelten Zentrum an der Favoritnerstraße hatte der Bezirk große Reserven an brachliegenden Baugründen, die zunächst von der Gemeinde Wien angekauft bzw. enteignet und neu verbaut wurden. So entstand die größte und zugleich städtebaulich anspruchsvollste Anlage im Bezirk bei der „Spinnerin am Kreuz“: der heutige „George-Washington_Hof “ als ausgedehnter, gartenstadtmäßig bebauter Komplex mit 1.085 Wohnungen und diversen Sozialeinrichtungen.“ (S.245)
„Am Wienerberg“
Auf dem Höhenrücken des Wienerberges, zwischen der Triester Straße und der Laxenburger Straße, entstand in Fortsetzung der gründerzeitlichen Rasterblocks des alten Arbeiterviertels eine Reihe von Wohnhausanlagen der ersten Phase des „roten“ Gemeindewohnbauprogramm. Begrenzt wird dieses neue Wohnviertel von der Neilreichgasse, der Laxenburger Straße, der Raxstraße und der Troststraße. ……Das kasernenartige, aber „lieblich-romantische“ Äußere der Bauwerke ist durch die starke Überbetonung der abgewalmten Steildächer und ihre pittoreske Baumassengliederung im Duktus der konservativen Heimatschutzbewegung ihrer Vorbilder gekennzeichnet (vgl. die um 1913/14 erbauten Personalhäuser X., Zur Spinnerin 23-31; Braunspergengasse 8-10; Inzersdorfer Straße 115-117). Durch ihre sehr reiche architektonische Fassadengestaltung unterscheidet sie sich oft kaum von den Zinskasernen aus der Zeit der Jahrhundertwende. Sie wirken aber generell selbstbewusster und monumentaler und sind bezüglich der sanitären Einrichtungen bzw. des hygienischen Wohnstandards wesentlich fortschrittlicher als die alten „Bassenawohnungen“. Allein die konsequente Vermeidung von langen Flurgängen entspricht nicht mehr der Konzeption eines traditionellen Mietshauses. Das Formenvokabular setzt diese Tradition des Kommunalhauses aber unkritisch fort.“ (S.252)
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……Links ist das Haus Inzersdorferstr.113 (erbaut von Harry Glück) zu sehen
Für das oben genannte und hier abgebildtete Haus Inzersdorferstr.115-117/Braunspergeng.8-10 wird derzeit die 11. „Orte erzählen“-Tafel geplant.
Zum Thema passende WordPress-Beiträge:
https://fritzendl.wordpress.com/2015/06/30/unser-triesterviertel-im-internationalen-vergleich/
https://fritzendl.wordpress.com/2013/09/29/die-entwicklung-des-triesterviertels/
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