In memoriam an den architekturkritiker und literaten Friedrich Achleitner (23.5.1930 – 27.3.2019)

Fritz Endl: Friedrich Achleitner (rechts) beim besuch im „Architekturzentrum“ am 22.3.2010 im gespräch mit dem leiter des archivs Wolfgang Heidrich (Foto privat)
Auszüge aus einer wiederholung von „Gedanken“ auf Ö1 am 31.3.2019
- „Mei vater war a klaner landwirt und nie arbeitslos“
„Also mutig bin i sicher net und ehrgeiz hab i eigentlich a net. I hab ja davon gsprochen, dass mir immer irgendwie was zugfallen ist durch zufälle. Also i hab nie was angestrebt. Also ehrgeiz hat ja immer damit zu tun, dass man sagt, durthin muss i unbedingt irgendwie hinkommen. Und vielleicht ist es sogar die bessere methode, etwas nicht anzustreben als unbedingt was haben zu wollen. I weiß es net. Hat a bissl was fatalistisches, also dass ma so a gewisse sicherheit hat, dass eh alles irgendwie funktioniert. Des hat a vielleicht damit zu tun, wenn ma aus an bäuerlichen milieu stammt, wo alles so is wias hat so is und wo ma möchte i fast sagen, wo man an bescheidenen hintergrund hat. Also i komm von aner klan landwirtschaft, wir haben sechs küh ghabt oder was. Aber wir haben an besitzt ghabt. Mei vater war nie ausgeliefert, arbeitslos und diese ganzen gefahren und wir haben nie gsagt kriegt, du musst des und des machen, damit du sozusagen a sicherheit hast. Im gegenteil, mei vater hat immer gsagt, besitz ist immer nur lästig und die meinung hab i a bis jetzt. Es is wirklich so. Leute, die sehr viel haben, die denken nur in diesen kategorien von besitztum verteidigen, privilegien verteidigen. Alles is a last eigentlich.“
- „In den gemeinden gibt es überall vernünftige leute“
„Man hat natürlich a gewisse naheverhältnisse, aber a net zu einer partei. Mir gelingt es afach net. I finds afoch katastrophal, was so quasi am rechten rand passiert. Es gibt sympathien einerseits für die Grünen, es gibt aber a sympathien für die Sozialdemokratie, aber dann is es schon ziemlich aus. I kann mit parteien eigentlich net umgehen, weil in dem augenblick, wann an irgendwas gfallt, passiert gleichzeit wieder irgenda blödsinn. Also i hätt mi nie binden können an a partei, des is klar, aber i hab die erfahrung gmacht, dass in gemeinden – also man kommt ja in meiner tätigkeit auch in jurys. Und da lernt man halt bürgermeister kennen. Da weiß ma oft lang net, is des a roter oder is des a schwarzer und da kummt ma drauf, dass es eigentlich überall sehr vernünftige leut gibt, grad in dem bereich der gemeinden und auch der städte. Auf der bundesebene hab i eigentlich keinerlei kontakte. Da kann i also auch wenig sagen. Und i hab schon das gefühl, dass sich die parteienlandschaft auf der bundesebene sich fast angleicht und dass die parteien eigentlich immer mehr – was sehr traurig ist –konzerncharakter kriegen, wo sie pfründe verteidigen, einflusssphären verteidigen, wo es eigentlich nimmer um inhalte, sondern um besitzstand geht und des is eigentlich sehr traurig.“
- „Mir san leut sympathisch, die net scho mit vierzig mieselsüchtig werden und die mit sechzig no was wahrnehmen“
„Den begriff stolz kenn ich net, weil auf die meisten dinge, worauf die leute stolz san, gibt’s kan grund dafür. Als es gibt leute, die sind stolz, dass sie Wiener san und es gibt leute, die stolz san, dass wir die festspiele haben in Salzburg oder so oder es gibt leute, die stolz auf ihre enkel san, wos a nix dafür können. Im Mühlviertel sagt man: dummheit und stolz wachsen auf an holz. Na, i kann mit stolz wirklich nix anfangen.
Mir san leut sympathisch, die net scho mit vierzig mieselsüchtig werden, die mit sechzig no was wahrnehmen, was was neues is, die net sagen, sie brauchen kan computer oder was weiß ich, ja die afach neugierig san und die immer wieder fähig san, was neues aufzunehmen, durchzudenken, zu akzeptieren oder abzulehnen, des geht ja a, weil ma muas ja net alles akzeptieren. Weil des is dann die andere seite, also die alten kasperln, die alles gut finden, weils die jungen machen, die find i auch a bissl verdächtig. Aber so a gute mischung von qualitätsbezug und a bissl übern tellerrand hinausschaun is mir net unsympathisch.“
Nachbemerkung: Friedrich Achleitner war anhänger der kleinschreibung. In dieser „gedanken“- sendung begründete er das wie folgt:
„Es gibt eine große tradition der kleinschreibung. Angefangen von den brüder Grimm über Adolf Loos usw. bis herauf zu den modernisten im 20.jahrhundert. Mein argument ist das – das hat a wiederum mit distanz zu tun – die normale großschreibung kommt ja aus dem Barock und ist eigentlich eine hierarchisierung der wörter. Früher hat man ja wörter groß geschrieben, auch wanns keine hauptwörter waren, was halt wichtig war. Es war also ein mittel der betonung. Aber wenn man heute, wo alle diese hierarchie gewohnt san, zu lesen und zu schreiben, eine radikale kleinschreibung macht, dann ist das ein ästhetisches mittel zur distanzierung. Das heißt der leser wird schon in eine position gebracht, wo er nimmer unbewusst mit dem material umgeht, er kriegt einfach eine distanz. Und des halt ich für texte, die anspruchsvoll san oder wo es wirklich um sprache geht, ist das eigentlich ein normales mittel. Es ist eine grundvoraussetzung, eine andere art von konzentration. Ich nehm sozusagen das wortgebilde oder satzgebilde anders wahr. Und das haben offenbar so leute wie der Hans Abt sehr genau gewusst und sehr bewusst verwendet….Adolf Loos hat die englische art gehabt, dass er den satzanfang groß gschrieben hat und eigennamen. Das ist die anglozistische form.“
Ich werde künftig (auch) in Erinnerung an Friedrich Achleitner diese form der „gemäßigten kleinschreibung“ verwenden.
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