„Das Österreichische Siedlungswerk rettete 1995 nicht nur ein Haus, sondern auch die Gemeinschaft“ – Ein Mieter berichtet.
Leider erhalten wir derzeit zu wenig Unterstützung , um die frühere gute Hausgemeinschaft in diesem positiven Beispiel einer „sanften Stadterneuerung“ „am Leben“ zu erhalten.
Den Titel meines Beitrages über unser Haus in der Zeitschrift „FUNDAMENT – Neues Wohnen 2/02 „des ÖSW verfasste ich noch aus Dankbarkeit für die Übernahme und Sanierung unseres Hauses. In der Folge wechselten beim ÖSW die für unser Haus zuständigen „Objektmanager“ immer wieder. Durch Veränderungen bei uns Mieter*innen wurde nach der Sanierung auch bei uns der Zusammenhalt schwächer. Noch der vorletzten „Objektmanagerin“ war eine Unterstützung unserer Hausgemeinschaft ein spürbares Anliegen. Sie lud deshalb 2015 zur bisher letzten Hausversammlung ein. Der seit 2017 zuständige „Objektmanager“ ist leider nicht bereit, mit uns in einer Hausversammlung zu sprechen. Ohne der früheren Unterstützung durch die Hausverwaltung ist es coronabedingt nun auch in unserem Haus sehr schwer, wenigstens über Telefon oder Internet Kontakte aufrecht zu erhalten.
Am 22.3. machten wir deshalb (wieder ohne Hausverwaltung) eine Hausversammlung (mit Sicherheitsabständen) und verfassten anschließend dieses Protokoll. Bisher ohne Reaktionen.
Liebe Mitbewohner*innen, wir haben uns wegen des Coronavirus mit Frau NN und Herrn NN (im Gemeinschaftsraum) getroffen. Frau NN war entschuldigt. Uns ist wichtig, den Kontakt in unserem Haus möglichst aufrecht zu erhalten. Um z.B. Informationen weiter zu geben, die für ALLE Bewohner*innen nützlich sein könnten. Das kann auf telefonischem Weg geschehen oder auch über das Internet. Wichtig ist uns dabei, dass ALLE Bewohner*innen unseres Hauses auch die Texte GUT VERSTEHEN. Daher ersuchen wir Sie/euch, uns Sprachen mitzuteilen (Telefonisch oder e-Mail), in die wir Texte im Internet übersetzen lassen sollten. Wenn du/Sie weitere Informationen per e-Mail oder Whatsapp erhalten möchtest/möchten, sende/n Sie uns bitte eine Testnachricht. Helga und Fritz (Endl) Tel: 0650/4814860 eMail: fritz.endl@gmx.at“
Zur Geschichte unseres Hauses:
1995 ist unser Miethaus 1100, Zur Spinnerin 2, ein Altbau aus dem späten 19. Jahrhundert, zu einem Spekulationsobjekt geworden.

Aber: Bei meinem Anruf im Rahmen eines Radiointerviews am 19.1.1995 versprach uns der damalige Stadtrat Werner Faymann Unterstützung. Und wirklich: Nach einigen Monaten Informationaustausch mit dem Büro von Stadtrat Faymann übernahm Ende 1995 das ÖSW unser Haus. Es gab eine Sockelsanierung und das „Schmuckkästchen“ konnte uns Bewohner*innen vom Vorstandsdirektor DI Michael Pech im sommer 1998 übergeben werden.
2002 wurde ich außerdem vom ÖSW eingeladen, im „FUNDAMENT – Neues Wohnen 2/02 “ als Mieter über die Geschichte unseres jahrelangen Kampfes zu berichten. Ich gab meinem Bericht den Titel „Haus und Gemeinschaft gerettet“

Dieser Text etwas lesbarer:
Haus und Gemeinschaft gerettet
Wann das Haus Zur Spinnerin 2 im 10.Wiener Gemeindebezirk gebaut worden ist, konnte ich noch nicht genau feststellen – vermutlich um 1880. Die Zimmer-Kuchl-Kabinett-Wohnungen mit Bassena und Klo am Gang waren für damalige Verhältnisse ein Fortschritt. Der Fuhrwerksunternehmer Carl Weber hat die Weberhäuser im Bereich Triesterstraße – Quellenstraße – Buchengasse neben seinem Betriebs-Gutshof (wo heute Autos der Marken Nissan, Jaguar u.a. verkauft werden) für seine Kutscher und deren kinderreichen Familien bauen lassen.
Seit meine Familie und ich 1980 hier eingezogen sin, wechselte das Haus mehrmals die Eigentümer. Es drohte das Schicksal vieler ähnlicher alter Zinshäuser, die nur mit hohem finanziellen Aufwand saniert werden könnten: Spekulationsobjekt, Mieter hinausdrängen und Abbruch. Für ältere Menschen und Zuwandererfamilien, wie sie auch bei uns wohnen, in ähnlichen Fällen leider ein häufiges Schicksal. Aber nicht bei uns!
Hilfe durch ÖSW
Mit Hilfe vieler Hausversammlungen und einiger Hauszeitungen konnten enorme Widerstandskräfte mobilisiert werden. Beinahe hätten wir das Haus selber gekauft! Zu unserem Glück war das aber schließlich doch nicht nötig. Denn das Österreichische Siedlungswerk erwarb 1995 durch Vermittlung des Büros von Stadtrat Faymann unser Haus. Durch die 1994 mit Hilfe der Gebietsbetreuung (Frau DI Bernhard sei Dank!) eingereichte Sockelsanierung wurde unsere Hüttn endlich vom Keller bis zum Dach rundumerneuert. Unsere Freude über die neuen Eigentümer und das wie neue Haus fand am 19.5.1998 in der Hauszeitung anlässlich der Übergabefeier ihren schriftlichen Niederschlag: „Nach 15 Jahren hartnäckigem Kampf gegen viele Hindernisse ist, dank unserer guten Hausgemeinschaft und dem Österreichischen Siedlungswerk, aus dem Schandfleck im Grätzl ein Schmuckkästechen geworden, auf das wir stolz sein können. Die Kontakte zum ÖSW als Eigentümer und zur Verwaltung entwickeln sich optimal.“
Resümee nach Jahren
In unserer Hausgemeinschaft ist wieder die relative Ruhe des Alltags eingekehrt. Wir genießen die baulichen Verbesserungen im Haus und in den Wohnungen. Wasser und WC sind nicht mehr am Gang – es gibt einen Aufzug. Die vom Schreiber erhofften gemeinsamen Aktivitäten finden leider (noch immer) nicht statt, trotz eines Gemeinschaftsraumes mit Tischtennistisch im Keller. Dem Gegenüber steht jedoch ein Erfolg, der vielen Menschen in ähnlichen Mietshäusern Wiens zu wünschen ist: Alte und Junge, Alteingesessene und Zuwanderer, haben sich nicht gegenseitig bekämpft, sondern – mit Unterstützung von außen – einen gemeinsamen Preis errungen: Ein schönes Haus, in dem wir gerne wohnen!
Wir haben den Ehrgeiz, dass unser Haus SOWOHL als ein erfreuliches Modell im sinne der „Sanften Stadterneuerung“ UND als eine gemeinschaftsfördernde Baumaßnahme öffentlich bekannter wird.
2008 schrieb ich deshalb z.B. in einem (leider nicht veröffentlichten) leserbrief an „Krone“, „Kurier“ und „Standard“: „Unser Haus ist aus meiner Sicht ein Modell, wie Integration durch entsprechende Wohnbaumaßnahmen unterstützt werden könnte. Dafür sind wir Herrn Faymann bzw. seinen MitarbeiterInnen noch immer sehr dankbar. Mit freundlichen Grüßen, Fritz Endl“
Soweit Dokumente aus der Vergangenheit und unserer Hoffnungen, dass unser Haus ein positives Beispiel für die Stadtverwaltung sein könnte. Für unser Haus und auch für unser „Triesterviertel“ war die fachliche Unterstützung durch die damalige Gebietsbetreuung enorm wichtig. Das seit 2018 neue Team der GB* hat dafür keinen Auftrag mehr. Die Verantwortung dafür tragen Bürgermeister Michael Ludwig als früherer Wohnbau-Stadtrat und seine Nachfolgerin Kathrin Gaal, zugleich auch SPÖ-Vorsitzende unseres Bezirks.
Zum Inhaltsverzeichnis aller bisher veröffentlichten Beiträge
Dazu passen folgende frühere Texte:
https://fritzendl.wordpress.com/2011/11/27/groseltern-wir-haben-eine-verpflichtung/
https://fritzendl.wordpress.com/2014/06/30/gegen-die-einsamkeit-in-der-grosstadt/
https://fritzendl.wordpress.com/2014/09/30/wo-konnen-wir-noch-mit-nachbarn-tratschen/
https://fritzendl.wordpress.com/2014/12/29/die-osmanen-sind-jetzt-unsere-nachbarn/
https://fritzendl.wordpress.com/2015/04/30/gute-nachbarschaft-fangt-im-wohnhaus-an/
https://fritzendl.wordpress.com/2015/09/30/integration-beginnt-im-wohnhaus-und-graetzl/
https://fritzendl.wordpress.com/2018/07/28/die-alte-gebietsbetreuung-favoriten-fehlt-uns-sehr/
https://fritzendl.wordpress.com/2019/04/30/draussen-noch-weiter-draussen-und-dazwischen/