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Posts Tagged ‘Böhmischer Prater’

Ein Menschenfreund und „begnadeter Erzähler“©

Erinnerungen an den Kulturwissenschaftler, Lehrbeauftragten, Ö1-Radiojournalisten und Buchautor sowie den Böhmischen Prater- und Fußballfan.

Sein Leben, erinnert vom älteren Bruder Peter:

Wolfgang Slapansky wurde am 25.September 1959 als zweiter Sohn von Ing. Otto und Annemarie Slapansky in Wien geboren. Der Vater war Konstrukteur im Kran- und Maschinenbau, die Mutter hatte ihren Beruf im Büro einer Großhandelsfirma aufgegeben, um sich ganz um die beiden Kinder kümmern zu können.

Die Kindheit war unbeschwert und glücklich, mit alljährlich mehreren Wochen Urlaub, zumeist am Attersee oder in der Steiermark, an Wochenenden Wandern oder Baden, Radfahren und Schifahren.

Die Familie lebte im 10. Bezirk, gleich neben dem Laaerbergbad, und der sonntäglichen Familienausflug hatte oft den nahen Laaerberg zum Ziel, der damals noch wesentlich weniger dicht verbaut war, mit weitläufigen Wiesen und einem herrlichen Ausblick über Simmering und die Donauauen bis zu den Hainburger Bergen und den Kleinen Karpaten.

Und ein wichtiger Programmpunkt des Sonntagausflugs war auch immer wieder der Besuch im Böhmischen Prater. Dieser war in den Sechzigerjahren zwar etwas heruntergekommen, aber ein Ringelspiel, Schaukeln und Fahrräder, vor allem ein Eis hat es immer gegeben. Und dieser Böhmische Prater sollte in seinem späteren Leben noch eine wichtige Rolle spielen.

Wolfgangs Kindergarten und Volksschule waren in der alten Per-Albin-Hansson-Siedlung, das Gymnasium dann in der Ettenreichgasse, wo die Jugend natürlich schon nicht mehr so weitgehend unbeschwert war.

Aber Wolfgang konnte sich sehr für den Fußball begeistern und war, was für einen Wiener wohl eher ungewöhnlich ist, ein glühender Anhänger von VOEST-Linz. Selbst gespielt hat er in seiner Klassenmannschaft, wo ihm der Spitzname „Gustl“, nach dem damals sehr bekannten Fußballer Gustl Starek, gegeben wurde. Daneben war er ein genauso enthusiastischer Pfitschigogerl-Spieler, in den Schulpausen und auch zu Hause.

Wesentlich wichtiger für ihn war damals aber, dass er die Leidenschaft zum Blues und zur Rockmusik für sich entdeckt hat. Er hat sich weitgehend selber das Gitarrespielen beigebracht. Gemeinsam mit seinem Mundharmonika spielenden Freund Jelly hat er sich ab und zu auch als Straßenmusiker versucht, mit Freunden hat er die Band „Gully Folks“ gegründet, in der er noch einige Jahre tätig war.

Das Gymnasium hat er nach mancherlei Querelen aber doch zeitgerecht nach acht Jahren 1978 mit der Matura abgeschlossen. Seine acht Monat beim Bundesheer im Anschluss daran hat er mit dem Sortieren von Meldezetteln zugebracht.

Obwohl er anfangs nicht recht wusste, was er machen sollte, haben ihn die Eltern zu einem Studium ermuntert. Ein erster Versuch mit Forstwirtschaft an der BoKu hat ihn nicht sonderlich fasziniert. Aber dann hat das Studium der Volkskunde an der Uni Wien begonnen und war schon bald Feuer und Flamme. Es waren vor allem seine beiden Lehrer Helmut Fielhauer und Olaf Bockhorn, beide Vertreter einer kritischen und sozial engagierten Volkskunde, die seine Begeisterung wecken konnten.

Am 27.7.2009 beim „Orte erzählen“-Planungsgespräch mit Helga Endl im ORF-Kulturcafe

Nach einer Diplomarbeit über Vergnügungsparks im Allgemeinen verfasste er eine Dissertation über den Böhmischen Prater mit dem Titel Der böhmische Prater: Zur Kulturgeschichte einer Wiener Vergnügungsstätte an der Peripherie, die er 1991 abschloss. Ein wesentlicher Punkt, den er in seiner Dissertation gelernt hatte, und der ihm später sehr nützlich sein sollte, war die akribische Recherche in Bibliotheken und Archiven. So hat er z.B. monatelang Stapeln von Akten der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha, die im 19. Jh. für Oberlaa und den Laaerberg zuständig war, durchgesehen.

In den Ferien unternahm er ausgedehnte Reisen durch Belgien, Frankreich, England, Schottland und Spanien. Vor allem Irland har er mehrmals bereist, wo er seine Liebe zur irischen Folkmusik in zahlreichen Pub-Besuchen ausleben konnte.

Nach Beendigung des Studiums strebte er zunächst eine wissenschaftliche Tätigkeit an der Uni an, was ihm aber nicht gelang. Er betätigte sich zunächst als freischaffender Kulturwissenschaftler mit Auftragsarbeiten diverser Kulturabteilungen, Mitarbeit an verschiedenen Ausstellungen und ähnlichem.

Themen waren oft verschiedene Aspekte der Stadtkultur und der Arbeiterkultur. Einen Schwerpunkt bildete dabei immer wieder sein Heimatbezirk Favoriten. Fasziniert war er von allen Aspekten der Peripherie der Großstadt, jener sich ständig wandelnden Grauzone zwischen Stadt und Land, die nicht mehr das eine und noch nicht das andere ist.

Der Fußballsport in Wien, vor allem in Favoriten, als Teil der Arbeiterkultur, hat ihn immer wieder beschäftigt. Dabei hat er die Geschichte von heute längst vergessenen ehemaligen österreichischen Spitzenvereinen wie dem SC Nicholson, SpC Rudolfshügel oder ASV Hertha Wien ausgegraben. Er beschäftigte sich aber auch mit völlig anderen Themen wie „Pannonische Gutshöfen“, „Familienfesten“ oder dem „Religiösen Brauchtum im Jahreskreis“. Er verfasste auch Beiträge zu mehreren Niederösterreichischen Landesausstellungen.

Diese Zeit prekärer Arbeitsverhältnisse und eigentlich ohne echte Zukunftsperspektive wurde von ihm allerdings als Belastung empfunden. Sein viel zu früh verstorbener Schulfreund Markus Fritz hat ihn dann mit dem Radio in Kontakt gebracht. Seit 1992 war er für den ORF tätig, zunächst bei Radio Wien, bei Radio Österreich International und schließlich dann bei Ö1 in den Abteilungen Religion und Wissenschaft.

Er verfasste Beiträge für „Logos-Theologie und Leben“, „Praxis – Religion und Gesellschaft“, „Erfüllte Zeit“, „Religion aktuell“, „Dimensionen – die Welt der Wissenschaft“, „Salzburger Nachtstudio“ sowie für die Journale. Wolfgang Slapansky war auch Producer der Ö1-Sendereihe „Memo – Ideen, Mythen, Feste“.

In seinen Sendungsbeiträgen beschäftigte er sich mit einer geradezu babylonischen Vielfalt unterschiedlicher Themen, wobei für ihn die profunde Recherche eine unverzichtbare Grundlage darstellte. Ein von ihm gestaltetes „Radiokolleg“ zum Thema „Großraum Wien-Bratislava“ wurde 2006 mit dem „Andreas-Reischek-Anerkennungspreis“ gewürdigt.

Wolfgang Slapansky war gleichzeitig Lehrbeauftragter an den Universitäten Wien, Graz und Innsbruck, wo er volkskundliche und kulturwissenschaftliche Lehrveranstaltungen gestaltete. Ein wesentliches Thema war dabei auch seine Lehrveranstaltung über die „Vermittlung kulturwissenschaftlicher Inhalte im Radio“.

Am 12.5.2016 in der Gebietsbetreuung (mit Siegfried Schuller) beim Präsentieren der 10. „Orte erzählen“-Tafel

In seinem Privatleben gab es 1997 einen markanten schmerzhaften Einschnitt, der vieles auf den Kopf stellte. Sein Vater erkrankte plötzlich schwer und wurde praktisch über Nacht zu einem Pflegefall. Und damit nicht genug, war die Mutter durch die Aufregungen und nervlichen Belastungen so mitgenommen, dass sie einige Wochen darauf einen tödlichen Herzinfarkt erlitt. Er hat nun alles unternommen, dass der Papa in seiner geliebten Wohnung bleiben kann und nicht in ein Pflegeheim muss. Er besuchte seinen Vater fast täglich. Er ermunterte ihn auch zu Therapien und fuhr mit ihm ins Grüne, um das Gehen zu üben. Und tatsächlich besserte sich der Zustand des Vaters so weit, dass er nach etwa zwei Jahren wieder weitgehend selbstständig in seiner Wohnung leben konnte. Da er aber nichts Schwereres tragen und nur äußerst mühsam Stiegen steigen konnte, war weiterhin ständige Unterstützung im Alltag notwendig. Sein Vater ist schließlich Anfang 2017, etwa ein halbes Jahr vor Wolfgang gestorben.

Ein privates Glück hat er mit seiner Lebensgefährtin Anna gefunden, eine Beziehung, die längere Zeit als Fernbeziehung zwischen Wien und Krakau sicher nicht einfach war, aber doch mehr als zehn Jahre gehalten hat, bis sie durch seinen Tod zerrissen wurde.

Wolfgangs Haupttätigkeit blieb seine Arbeit für den Rundfunk, die er mit großer Begeisterung durchführte. So kam er manchmal, wenn er von seinen umfangreichen Recherchen in Stifts- und Klosterarchiven berichtete, regelrecht ins Schwärmen.

Am 29.3.2017 im Baranka (Belgrad)-Park vor der ehemaligen Heller-Zuckerlfabrik beim Interview von Siegfried Schuller zum Triesterviertel für eine Ö1-„Memo“-Sendung . Rechts im Hintergrund die Gedenktafel an die ermordeten Roma und Sinti.

Darüber hinaus engagierte er sich auch in den Bezirksmuseen von Favoriten und Simmering, oder z. B. in der Initiative „Orte erzählen“ im „Triesterviertel“.

Wolfgang Slapansky ist etwa einen Tag nachdem er die Rohfassung des Manuskripts zu seinem letzten Buch *) abgegeben hatte, völlig unerwartet am 30. 8. 2017 um etwa 4 Uhr früh im Franz-Josef-Spital in Wien Favoriten an einem Herzinfarkt verstorben.

Ein Nachruf des Österreichischen Fachverbandes für Volkskunde, dessen Mitglied er war, beschreibt ihn als ruhigen, bescheidenen und stets liebenswürdigen Lehrer, Kollegen und Zeitgenossen, der die Gabe des genauen Hinsehens und Zuhörens besaß.

*) „Reise in die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung in Wien“ (Siehe unten)

Die Bücher von Wolfgang Slapansky:

Das „Hauptwerk“ ist 1992 erschienen, mit einem Vorwort von Hubert Ch.Ehalt:

Diese Widmung 1992 markiert den Beginn unserer guten Zusammenarbeit bis 2017:

1991 die erste Veröffentlichung mit einem Vorwort von Wolfgang Kos:

Zwei Tage vor seinem plötzlichen Tod übergab Wolfgang das Manuskript Georg Sever, seinem Partner und Mitarbeiter der Wiener Arbeiterkammer:

Dazu passend:

Nr.144: „Menschen erzählen“ und „Orte erzählen“

Zum Inhaltsverzeichnis aller bisher veröffentlichten Beiträge:
http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?Triesterviertel/GedankenInhaltsVerzeichnis

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