Bekanntes:
Vor allem in den 70-er Jahren hat die österreichische Wirtschaft junge männliche Türken angeworben, um durch deren Arbeitskraft zur Vergrößerung unseres Wohlstandes beizutragen. Die Wirtschaftsstrategen sahen damals offenbar keine Veranlassung, sich über die möglichen sozialen (d.h. hier in erster Linie: menschlichen) Konsequenzen Gedanken zu machen. Die PolitikerInnen (d.h. hier in erster Linie jene der SPÖ) verdrängten dieses Thema.
Konkretes:
Als meine Frau und ich 1980 mit unseren beiden Buben hierher in das damals noch baufällige Zinshaus im „Triesterviertel“ gezogen sind, waren unsere Nachbarn ebenfalls ein „Gastarbeiter“-Ehepaar. Ihr ältester Sohn, im selben Alter wie unser älterer Sohn, ist nun mit seiner Familie unser Nachbar. Wir erleben seit bald drei Jahrzehnten am Beispiel dieser Familie, ihrer Angehörigen und Freunde den Alltag, die Möglichkeiten und Grenzen von integrationsbereiten und -fähigen „österreichischen TürkInnen.“
Politik:
Mein Vorwurf geht in erster Linie an die SPÖ, weil sie speziell in Wien (meine Erfahrungen beschränken sich auf Favoriten) diese Alltagsprobleme ihrer traditionellen WählerInnen (Gemeindebauten!) „unter den Teppich gekehrt“ hat. Dieser „Teppich“ hat sich in der Zwischenzeit zu einem „roten Teppich“ für Herrn Straches FPÖ gewandelt.
In den vergangenen Jahren habe ich gelernt, dass es auch in der Favoritner FPÖ sehr wohl Personen gibt, die mir persönlich sympathisch sind, mit denen selbst über das Thema „Ausländer“ in gegenseitigem Respekt gesprochen werden kann. Wegen des langen Ignorierens des Themas und der auch von mir erlebten, bis zur Präpotenz reichenden, „Abgehobenheit“ vieler SPÖ BezirkspolitikerInnen hat sich inzwischen viel Wut bei den „Verlieren“ unserer „Leistungsgesellschaft“ angesammelt. Die FPÖ braucht „bloß“ ein „Ventil“ zu bieten für diesen jahrelang aufgestauten Druck.
Was tun?
Ich möchte künftig auch mit jenen Personen in der Favoritner FPÖ zusammenarbeiten, die an einem möglichst sachlich geführten Dialog interessiert sind. Im „Triesterviertel“ leben und arbeiten Menschen aller politisch und religiös orientierten Richtungen, deren Meinungen respektiert werden müssen. Die jahrzehntelange „Maulkorb-Politik“ von SPÖ-PolitikerInnen muss durch zivilgesellschaftliche Initiativen und Transparenz ersetzt werden. Die neuen Technologien wie Weblogs, Twitter und Facebook können das unterstützen.
Dazu passt ein Videokommentar des Journalisten Robert Misik zum Thema „Das Ausländerproblem. Gibt´s das wirklich?“ und seine Rede beim SPÖ-Parteitag in OÖ. Außerdem ein Text des „Grünen“ Favoritner Bezirksrats Georg Prack vom 4.12.2009
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Hallo Fritz!
Das Versagen der SPÖ in der „Integrationspolitik“ oder besser beim Schaffen der Rahmenbedingungen für ein gutes Zusammenleben aller in Wien sind offensichtlich (Ich mag den Begriff Integration ja nicht, weil er davon ausgeht frau/mann habe sich in eine Gesellschaft mit ihren guten und schlechten Seiten einzugliedern. Wenn wir als Grüne daran arbeiten eine solidarische und ökologische Alternative zu unserer Gesellschaft zu entwickeln – und das ist mein politischer Anspruch – dann stelle ich mich selbst teilweise außerhalb des gesellschaftlichen Konsenus im Jetzt und Hier. Wenn ich nicht bereit bin z. B. patriarchale Geschlechterhierachien, Rassismus oder zerstörerisches Umweltverhalten zu akzeptieren, wie kann ich dann von jemand Anderem verlangen sich in dieses gesellschaftlich breit getragene Verhalten einzugliedern? Ich bewerte das Handeln von Menschen aus der Sicht meiner Grundhaltungen, die im überwiegenden Teil mit denen der Grünen zusammenpassen.).
Ich sehe dafür mehrere Gründe:
-Die SPÖ ist stolz darauf diese Stadt zu verwalten. Bei soviel Stolz über Verwaltung bleibt wenig Zeit und Raum für Demokratie. Demokratie ist von der SPÖ zu Tode verwaltet worden. Die Beteiligung an politischen Prozessen beschränkt sich in den meisten Fällen auf Wahlen. Die Simulation von Demokratie per Volksbefragungen, wie sie die SP jetzt plant (und deren Ergebnisse absehbar sind) ist keine Lösung für die demokratische Lücke, sondern vielmehr Symptom. Es ginge darum demokratische Prozesse zu stimulieren. Und es geht dabei nicht (nur) um die Stadt im Großen und Ganzen, sondern um die Mitbestimmung vom Grätzel bis zum Bezirk. In Favoriten gibt es einige Beispiele für die Simulation von Demokratie (BürgerInnenversammlungen, BürgerInnenbeteiligungsprozesse, …), die allesamt in Frustration der Beteiligten enden, weil Versammlungen und Prozesse so gesteuert werden, dass am Ende das rauskommt, was die, die steuern von Anfang an wollten. Zudem wird das „Risiko“ Beteiligungsprozesses nur dann eingegangen, wenn nicht die „Gefahr“ besteht, dass der SP dieser Prozess entgleitet (Ich finde in diesem Zusammenhang sagen die Worte „Risiko“ und „Gefahr“ sehr viel über das Demokratieverständnis oder eben -unverständnis aus). Die Menschen, über deren „Integrationsunwilligkeit“ immer gesprochen wird, werden in vielen Fällen nicht einmal an diesen Demokratiesimulationsprozessen beteiligt – es fehlt ihnen ja der richtige Pass und damit das Wahlrecht.
Ich glaube eine Gesellschaft die im Kleinen wie im Großen nicht daran beteiligt wird Probleme zu diskutieren, Konflikte zu bearbeiten und schon gar nicht daran gemeinsame Lösungen zu suchen wird unfähiger Lösungen zu finden und anfällig für angebliche Lösungen (wie z. B. jene der FPÖ).
-Die sozial selektive Bildungspolitik, die ein gesamtösterreichisches Problem ist, ist in den Städten längst zum Strukturproblem geworden. Bildungsarmut wird vererbt. Gepaart mit strukturellem Rassismus findet eine Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund von höherer Bildung und aus wesentlichen Sektoren des Arbeitsmarktes, wenn nicht aus dem ganzen Arbeitsmarkt statt. Bildungsbarrieren und damit einhergehend der Arbeitsmarkt verwehren Menschen mit Migrationshintergrund also die gleichberechtigte Beteiligung an „unserer“ Gesellschaft.
-Das neoliberale Wirtschaftssysteme bei dem die/der Stärkere gewinnt ist ein weiterer wichtiger Exklusionsfaktor. Anstatt diesem Bild der Leistungsgesellschaft ein solidarisches Menschenbild entgegenzusetzen und der Unterteilung in Menschenklassen das unteilbare Menschenrecht entgegenzusetzen eiert die SP visionslos im Leistungsgesellschaftmainstream herum und versucht „Härten“ abzuwenden, die immer härter werden.
Soweit mein Beitrag zur politischen Analyse des Problems. Dass die SPÖ von sich aus am Problem nichts verändern kann hat sie in den letzten Jahrzehnten eindrucksvoll bewiesen. Und sie hat damit Tür und Tor geöffnet für Jene die einfache Lösungen propagieren, die nichts anderes sind als Simulation.
Was ich nicht nachvollziehen kann ist, dass du Hoffnung in den Dialog mit Jenen setzt, die sich genau an diesem Prozess der Suggerierung von Lösungen beteiligen. Ihre persönliche Integrität mag auch noch so hoch sein, sie gehören mit der FPÖ einer Gruppierung an, die dort branschatzt wo die Probleme sind u. damit Probleme noch verfestigt anstatt Lösungsprozesse zu stimulieren. Wenn sie sich an der Erarbeitung von Lösungen zu gemeinsamen Problemen beteiligen wollen, dann werde ich ihre Ernsthaftigkeit solange in Frage stellen, solange sie in dieser Partei aktiv sind.
Es wird dieser Stadt gut tun, wenn die SPÖ die absolute Mehrheit verliert. Es wird Favoriten gut tun, wenn die SPÖ die absolute Mehrheit verliert. Es wird an uns liegen der SPÖ beizubringen, dass Wien nicht irgendwelchen FunktionärInnenkreisen gehört, sonderen Allen, die hier leben.
Es wird an uns liegen demokratische Prozesse einzufordern, die jenseits der bisherigen Simulation von Demokratie liegen und, die die Beteiligung Aller zum Ziel hat. Es wird an uns liegen ein Bildungssystem einzufordern, dass Allen, die in dieser Stadt leben gleiche Chancen gibt. Und es wird an uns liegen ein solidarisches Miteinander aufzubauen, dass dem Neoliberalismus die rote Karte zeigt.
Vielleicht kommt die SP ja irgendwann drauf, dass sie mitmachen will. 🙂
Lieber Georg,
deine Beschreibung vom Zustand der SPÖ finde ich sehr treffend und kann sie hundertprozentig „unterschreiben“. Nur sind meine praktischen „Konsequenzen“ aus dieser Analyse offenbar sehr verschieden von jenen, die du für richtig und passend betrachtest. Das äußert sich eben unter anderem auch darin, dass ich schon seit 1992 auch mit Favoritner FPÖ-PolitikerInnen sehr angenehme Gespräche geführt habe und hoffentlich auch weiterhin führen werde. Die schlechtesten Erfahrungen diesbezüglich (mit Ausnahmen) habe ich mit SPÖ und „Grünen“-BezirkspolitikerInnen. Das klingt zwar sehr pauschal und ich könnte diese Behauptungen mit vielen konkreten Beispielen und Namen untermauern (lieber mündlich), aber es geht mir jetzt weniger um Vergangenes, sondern um die Konsequenzen daraus.
Ganz besonders bei jenen FPÖ-PolitikerInnen, mit denen mich persönliche Sympathie verbindet, kommt bald die Überlegung: „Was machen sie in DIESER FPÖ???“ Ich gebe dir völlig recht, „solange sie in dieser Partei aktiv sind“ habe ich ein großes Problem. Aber umgekehrt dachte/ denke ich mir auch bei manchen „SPÖ-Leuten“ und bei manchen „Grünen“ Ähnliches.
Aber weshalb sich ein Mensch (oft in jungen Jahren) einer bestimmten Gruppe anschließt (und dann nicht mehr weggeht), kann auch viele Gründe haben, die mit deren offiziellen Zielen nichts oder nur wenig zu tun haben.
Als jüngstes Kind eines deutschnationalen Lehrers (Jg 1896) habe ich relativ lange gebraucht, um für mich eine ideologische „Heimat“ zu finden. Es war lange Zeit (1973-1993) die SPÖ. Seither tendiere ich zwar persönlich immer mehr zu den „Grünen“, aber als „Grätzlaktivist mit gesichertem Grundeinkommen“ ist mir im „Triesterviertel“ jede/jeder BezirkspolitikerIn willkommen, die/der sich für unsere Anliegen einsetzt….auch FPÖ-PolitikerInnen.
Sie werden von vielen Menschen wegen des Versagens der derzeit herrschenden SPÖ-Funktionärsschicht gewählt. Das hast du ja sehr klug analysiert und ich habe auf diese Tatsache in meinem Beitrag „30-Jahre roter Teppich für die FPÖ“ auf Grund meiner Erfahrungen in drei SPÖ-Sektionen ebenfalls hingewiesen. Daher wünsche ich mir so wie du, dass diese oft arrogant, manipulierend und abgehoben agierenden „SPÖ-Alt- und JungpolitikerInnen“ von uns WählerInnen am 10.10. 2010 wieder „auf den Boden“ geholt werden und sie ihre absolute Mehrheit verlieren. Auch wenn dies voraussichtlich zugunsten der FPÖ passieren wird. Ich hoffe nur persönlich, dass auch die „Grünen“ gestärkt werden.
ABER unabhängig von irgendwelchen Wahlergebnissen und Koalitionen möchte und werde ich auch weiterhin mit all jenen BezirkspolitikerInnen, die dazu bereit sind, ein respektvolles Gespräch „auf gleicher Augenhöhe“ suchen und versuchen, mit ihnen gemeinsame Projekte im „Triesterviertel“ umzusetzen. So wie es die „Junge ÖVP-Favoriten“ am 6.6.2008 bei einem gemeinsamen Kinderprojekt in der „Quarinpassage“ schon vorgemacht hat.
Mit lieben Grüßen, Fritz 🙂