Zwischen „BezirkshausmeisterIn“ und „RegionalmanagerIn“
Seit 2018 hat Favoriten einen neuen Bezirksvorsteher. Markus Franz führt sein neues Amt mit großem zeitlichen Einsatz. Sicher auch deshalb, um die zur erfolgreichen Arbeit erforderliche Bekanntheit möglichst bald zu erreichen.
Besonders diese Funktion erhält – in Zeiten zunehmender PolitikerInnenverdrossenheit – durch den direkten Kontakt mit der Bevölkerung immer größere Bedeutung.

Bezirksvorsteher Markus Franz auf „Beisltour“ in Favoriten, leider nur mit „seinen“ SPÖ-Bezirksräten/-rätinnen.
Das lesenswerte Buch „Bezirkspolitik in Wien“ des Politikwissenschafters Hubert Sickinger (StudienVerlag, 2006) beruht zwar nicht auf dem aktuellen Stand der Wahlergebnisse. Es beschreibt aber neben vielen anderen Fakten über die Wiener Verwaltung auch sehr anschaulich die vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten der BezirksvorsteherInnen.

Er/sie muss NUR genügend viel Vertrauen von der Bezirksbevölkerung gewinnen, auch über die jeweiligen Parteigrenzen hinweg.
„Das BV-Amt ist ein Amt, das im Alltag von vielen „kleinen“ (manchmal auch „kleinlichen“) Problemen und Aufgaben – und nicht von der „großen Politik“ – geprägt ist. Es erfordert AmtsträgerInnen, die einen guten Überblick über den Wiener Stadtmagistrat und Wissen über dessen Funktionsweisen haben und über administrative Fähigkeiten verfügen. Erforderlich sind ferner Kommunikationsfähigkeiten gegenüber den BewohnerInnen wie auch Motivationsfähigkeiten gegenüber den Bezirksräten/-rätinnen. Gefragt sind PolitikerInnen mit gewissen Management-Fähigkeiten, die sich aber für den – permanenten – Kontakt mit den „kleinen Leuten“ im Bezirk nicht „zu gut sind“.
In den folgenden Auszügen kommen einige BezirksvorsteherInnen zu Wort. (Hervorhebungen FE)
„In wenigen Sätzen beschreibt eine BV das Aufgabenprofil und die typischen Charakteristika des Amtes:“ (Sickinger, S.52)
„Einerseits als einer, der Projekte im Bezirk initiieren muss und auf der anderen Seite ist er jener Politiker, der den engsten Kontakt zur Bezirksbevölkerung hat. Er ist von allem politischen Funktionen der mit dem höchsten Bekanntheitsgrad, und daher wird er auch am meisten angesprochen. Und ich verstehe mich auch als ein Vermittler in jenen Bereichen, wo Behördenkontakte schwierig erscheinen, wo Leute in einer Notsituation sind.“ (BV 15/SPÖ/2003) (S.52)
Ein Bezirksvorsteher des 3.Bezirks beschrieb 2003 seine Tätigkeit: „Man ist für alles verantwortlich und hat für kaum etwas Kompetenzen – vom Rechtlichen her – und ist sicherlich so etwas wie ein Bezirksbürgermeister…“ (BV 3/SPÖ/2003)
„Sozialdemokratische Bezirksvorsteher (BV) (von denen ein Teil zuvor Gemeinderäte (GR) gewesen waren) betonen als zentralen Kontrast zur Funktion als Landtagsabgeordnete – neben der weitaus stärkeren Nähe zur Bevölkerung- die mit ihrem aktuellen Amt verbundenen konkreten Gestaltungs- und Umsetzungsmöglichkeiten.“
„Das, was mir wirklich sehr gut gefällt ist, dass man viel mehr ganz persönliche Entscheidungsmöglichkeiten hat….Als BV kann man die Ideen wirklich umsetzen. Da bin ich erst im Laufe meiner Einschulung draufgekommen, wie viele Möglichkeiten man eigentlich hat.“ (BV 9/SPÖ/2004) (S.59)
„Es ist eine spannende Sache. Der bürokratische Ablauf und der auch klarerweise da ist, den versuche ich möglichst gut zu managen, aber darüber hinaus weiß ich auch, dass es doch Gestaltungsmöglichkeiten gibt für den BV, und das sind natürlich oft die spannenderen Dinge. Wenn es um Bezirksentwicklung geht, um Bausachen – Umbauten, Neubauten-, das sind meine ich möchte nicht sagen Hobbies, aber Schwerpunkte. Einerseits öffentliche Raumgestaltung, andererseits Bauprojekte. Dann merke ich auch, dass BV tatsächlich einen Einfluss haben können.“ (BV 7/GRÜNE/2003)
„SPÖ-BV sind voll in den Informationsfluss der die Gemeinde regierenden SPÖ eingebunden.“ (Sickinger. S.52)
„Die SPÖ hat natürlich ein Informationsnetz in Wien, dem wir nichts gleichhalten können. Denn von allen Briefen, die ich bekomme von einem Stadtrat geht ein Durchschlag dort hinüber, das ist klar.“ (BV 18/ÖVP/2003, S.52)
„Was mich an dieser Position so besonders reizt und ich auch das Tolle finde, dass der BV schon sehr viele Entscheidungsmöglichkeiten hat, auch wenn er sie formell nach der Stadtverfassung nicht hat. Aber man kann sich’s nehmen, indem man halt Ideen selbst entwickelt oder aufnimmt und sie dann beginnt umzusetzen….“(BV 21/SPÖ/2003) (S.58)
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